Systemisches Denken
Alles in uns und um uns ist miteinander verbunden. Das ist nichts Neues. Viele Gelehrte schrieben darüber:
„Willst du dich am Ganzen erquicken, so musst du das Ganze im Kleinsten erblicken.“
Johann Wolfgang von Goethe
Die königlichen Leibärzte schauten seiner Majestät in die Augen und auf die Zunge, wenn er unpässlich war. Die Traditionelle chinesische Medizin arbeitet mit der Pulsdiagnose, der Reflexzonentherapie, der Akupunktur. Ich könnte noch so viele Beispiele aus den Therapieansätzen der Naturheilkunde nennen, die zeigen, dass der Mensch eben nicht nur aus speziellen Segmenten und Bereichen besteht wie: Hals-Nasen-Ohren, Gynäkologie, Orthopädie, Augen, Psychiatrie. Alle diese medizinischen Fachbereiche haben ihre Berechtigung. Jedoch wird hier selten eine ganzheitliche Betrachtungsweise möglich. Anders als bei der systemischen Therapie.
Ich erlebe sehr oft, dass Klienten über meine Fragen bei der Anamnese staunen und mich fragen:
- Was haben meine Schneidezähne mit meinen Eltern und meinem inneren Bild von Mann und Frau zu tun?
- Weshalb fallen an einem meiner Backenzähne ständig – trotz eines sehr guten Zahnarztes – meine Füllungen heraus? Das soll an meinem Magen liegen und weil ich alles in mich hineinfresse, was auf der Arbeit passiert?
- Ich habe eine Leberschwäche, weil ich nachts zwischen 1 und 3 Uhr wach werde und nicht wieder einschlafen kann? Und das soll etwas mit dem Groll auf meinen Vater zu tun haben?
Ja, da gibt es einen Zusammenhang! Alle Funktionen Ihres Körpers, Ihrer Organe und Ihrer Psyche sind miteinander verzahnt. Hier brauchen Therapeuten keine Hellseher zu sein, denn sie denken und nehmen in systemischen Zusammenhängen wahr – und das können Sie auch. Diese Betrachtungsweise ist in unseren Zellen und in unserer DNA als universelles Wissen gespeichert. JETZT gerade auch, im Moment.
Sie fragen sich, weshalb Sie dieses Wissen nicht bewusst abrufen können? Weil Sie seit Jahrhunderten Fehlprogrammierungen in sich tragen. Folgende Sätze kennen Sie sicher:
- „Nur was man sehen und beweisen kann ist wahr“
- „Was die Wissenschaft herleiten und durch Versuchsreihen belegen kann, ist richtig“
- „Homöopathie ist Placebo.“
Doch wäre die Natur noch da, wenn sie so wie wir Menschen denken und handeln würde? Nein, mit Sicherheit nicht.
Wenn Sie beginnen, sich selbst, Ihren Körper, Ihre Psyche und Ihr Denken als ein in sich greifendes System zu respektieren, werden Sie zukünftig sehr viel Freude daran haben, Signale Ihres Körpers zu erkennen und dadurch Ihre Gedanken und Gefühle neu zu ordnen und die Wehwehchen als Helfer und nicht als Feind zu sehen. Das ist ein kleiner Einblick in die Zusammenhänge unseres menschlichen Systems.
Die Familie als System
Wie steht es jedoch mit der Brücke zur Ursprungsfamilie und welche Auswirkungen auf Ihr aktuelles Leben haben alte ungeklärte Konflikte, Geheimnisse, Kriegserlebnisse, Traumen? Lassen Sie mich anhand eines Beispiels verdeutlichen wie sich die Verflechtungen und Systeme innerhalb Ihrer Familie auf Ihr heutiges Leben auswirken.
Eine Mutter kommt mit ihrer 5- jährigen Tochter Anna* in meine Praxis und sorgt sich, weil das Mädchen seit einigen Wochen nicht mehr in den Kindergarten möchte. Sie schreit und klammert sich an ihre Mama, wenn sie sich von ihr verabschiedet. Man könnte meinen, das ist entwicklungsbedingt, es gibt vielleicht neue Kinder, eine neue Erzieherin….
Die Mutter hatte kürzlich eine Fehlgeburt, 6. SSW, sie war ambulant für einen Tag im Krankenhaus. Ihre Tochter Anna hat wahrscheinlich gar nicht gemerkt, dass sie weg war. Das ängstliche Verhalten und das Klammern an die Mutter zeigte sich kurz nach dem Verlust des ungeborenen Geschwisterkindes. Die Mutter hatte angeblich das Thema für sich abgeschlossen, der Vater hat mit der Schwangerschaft sowieso noch nicht viel anfangen können, sagte die Klientin. Die fünfjährige Anna durchlebt – weil sie ein sehr sensibles Glied des Familiensystems ist – die Trauer der Mutter und zeigt die unterdrückte Angst der Trennung und des Todes des verlorenen Kindes.
Kinder sind wie Seismographen, da sie zum Glück noch nicht so im Denken und in der Logik zu Hause sind wie die Eltern, dafür jedoch intuitiv wahrnehmend wissen, stellen sie sich als Symptomträger des Familiensystems zur Verfügung (wie die Magenschmerzen). Schade ist nur, dass sie sich noch nicht so gut ausdrücken können – oder wenn sie es tun, von uns Erwachsenen nicht ernst genommen oder verstanden werden. Es geht der Kleinen Anna also erst besser, wenn die Mutter ihre Trauer und ihren Schock der Fehlgeburt be- und vearbeitet. Das Kind spürt dann, dass die Mutter wieder freier in ihren Gefühlen ist und braucht sich nicht mehr um die Last der Mutter zu kümmern.
Wir wagen einen Ausblick in die Zukunft der Familienmitglieder: Nach 2 Jahren kommt ein Geschwisterkind – Johannes – zur Welt. Die Erstgeborene Tochter Anna ist 7 Jahre, freut sich auf ihr Brüderchen Johannes und alle sagen zu ihr: „Du bist die große Schwester, pass schön auf Deinen Bruder auf.“ Solche Aussagen scheinen zunächst nichts Verwerfliches zu sein. Doch auch hier könnte es zu Spannungen kommen, nämlich dann, wenn sich die Kleine zu sehr mit der Mutterrolle identifiziert, was oft ungewollt geschieht. Sie könnte sich verantwortlich für ihren Bruder fühlen, was unter Umständen wieder eine Last für sie wäre. Damit würde sie ihre kindliche Position schleichend verlassen und den Platz ihrer Mutter mitbelegen.
Als Erwachsene könnte es gut sein, dass Anna in Beziehungen mit Schwächeren, Jüngeren oder Hilfesuchenden sich immer in die mütterliche Rolle begibt, sich nicht abgrenzen kann und beruflich und auch privat mehr gibt als nimmt. Sie hat dieses Muster ja gelernt. Wenn Anna später einen Partner bekommt, der auch in der Geschwisterreihe ein kleinerer Bruder einer ältesten Schwester war, funktioniert in der Regel die Beziehung gut. Sie kennt ihre Rolle und er auch. Allerdings kann es sein, dass Anna nie ganz für ihre eigene Familie da ist, da sie ja noch mit dem Platz der Mutter verwoben ist und sehr viel Energie als Erwachsene in die elterliche Beziehung bzw. immer noch bei Problemen des Bruder Johannes zu ihm fließen lässt. Anna kann ihren Platz als Ehefrau und Mutter nicht 100 prozentig einnehmen.
Hier ist es für die nun erwachsene Tochter essentiell wichtig, sich aus der ungesunden Muttersymbiose zu lösen. Damit sie endlich ihren eigenen Raum und Platz mit sich selbst füllen und überhaupt wahrnehmen kann.
Kommen wir nun zum jüngeren Bruder Johannes. Er ist mittlerweile ein erwachsener Mann, ist ein Topmanager in einer großen Firma. Er stellt sehr hohe Anforderungen an sich selbst, baut sich sehr starken Leistungsdruck auf und hat Versagensängste. Er ertappt sich in letzter Zeit immer wieder, dass er sich nach Feierabend in Computerspiele und in virtuelle Räume flüchtet, um dem inneren und äußeren Druck und den Erwartungen seiner Umgebung zu entfliehen. Was ist sein Thema?
Er weiß nicht, dass er der Dritte in der Geschwisterreihe ist. Ist das überhaupt wichtig, werden Sie fragen. Wie war das damals kurz vor seiner Geburt oder während seiner vorgeburtlichen Phase? Der traumatische Abdruck der Mutter vom verlorenen Kind hat sich auf Johannes mitübertragen, ebenso die Angst während der Schwangerschaft, ob sie Johannes halten kann, oder ob er gesund zur Welt kommt. Das legt sich durchaus wie ein Mäntelchen auf das Ungeborene. Und nach der Geburt? Hier hält die Mutter die ungesunde Verlustangst zu ihm aufrecht anstatt ihn vertrauensvoll loszulassen. Sie kontrolliert ihn aus Angst, es könnte ihm etwas passieren, hält ihn dazu an, dass er die Anforderungen der Mutter, aus Liebe, erfüllt. Johannes lernt zu funktionieren, um nicht zu enttäuschen – bis heute. Jedoch spürt er in sich auch eine Art Druck und gleichzeitig eine Leere und Traurigkeit.
Er sucht (SUCHT), was zu ihm gehört, aber nicht sichtbar und greifbar ist – seinen älteren ungeborenen Bruder, von dem er nichts weiß, unbewusst jedoch spürt, dass die Familienordnung nicht richtig ist. Erst wenn ihm bewusst wird, dass noch ein Geschwisterkind vor ihm in das System gehört, auch wenn es nicht lebt, kann er innerlich zur Ruhe kommen und seinen wirklichen Platz als Drittgeborener (er war bis zu diesem Zeitpunkt von allem um ihn herum als der Zweitgeborene behandelt worden) einnehmen, seine Last bzw. die des Bruders kann er loslassen.
Diese Geschichte verdeutlicht wie sehr wir mit den Leben unserer Familienmitglieder verwoben sind. In einer systemischen Therapie oder mittels systemischer Aufstellungsarbeit können Sie solch ungesunde Verflechtungen aufheben oder neu ordnen.
Die Gesellschaft als System
In unserer Gesellschaft zählen wir als einzelnes Individuum, sind jedoch gleichzeitig Teil des Ganzen. Wenn Sie die hermetischen Gesetze kennen, werden Sie feststellen, dass die Zusammenhänge hier besonders gut sichtbar werden:
- Gesetz von Ursache und Wirkung: Jede Ursache hat eine Wirkung und jede Wirkung hat eine Ursache
- Gesetz der Entsprechung: Wie Oben so Unten, wie Unten so Oben
- Das Gesetz der Schwingung: Nichts ist in Ruhe, alles ist in ständiger Bewegung
Und als letztes Beispiel für das Ineinandergreifen von Systemen erinnere ich Sie an die Wechselwirkung von allem was existiert, insbesondere unsere Erde mit all ihren Elementen, mit der Flora und Fauna und den energetischen Qualitäten und Wesen.
In Island gibt es einen Minister für Naturwesen (Trolle, Elfen, Feen etc.), wussten Sie das?
In Buthan gibt es ein Glücksinlandprodukt und die Kinder erlernen in der Schule, wie man sich und andere glücklich macht.
In Russland gibt es eine Akademie für außersinnliche Phänomene und für mediale Fähigkeiten.
In England arbeiten in Kliniken Ärzte gemeinsam mit Heilern für die Gesundung ihrer Patienten.
Auch in unserem Land gibt es mehr und mehr Menschen, die ihre Gaben und ihr altes Wissen aktivieren, mit Pflanzen und Bäumen Kontakt halten und frei von jeglichen Vorschriften, Verboten und alten Dogmen ihre Art von Spiritualität leben.
Es kann uns Hoffnung schenken, dass sich die Zeiten wandeln. Es ist möglich, aus den von manipulativen, machtbesessenen und von Gier und destruktiven Egoismus gezeichneten Programmen auszusteigen.
Bleiben wir in dem Verständnis für das Wesentliche, bringen wir uns in ORDNUNG, dann wird sich auch in all den anderen Bereichen über die wir heute gesprochen haben eine neue und doch ursprüngliche Ordnung einstellen.
Leider kommen wir nicht immer ohne ein Zusammenbrechen oder Aufbrechen alter und überlebter Strukturen in eine neue Qualität. Es bleibt nur die Frage des Vorzeichens, das wir den Ereignissen geben und den Gefühlen und Gedanken, die wir damit verweben.
Achten wir auf unseren Körper, auf unsere Seele, auf unseren Geist. Räumen wir in uns, in unseren inneren und äußeren Systemen auf, dann wird auch das nächstgrößere System in eine Veränderung gehen.
Wir leben in einer spannenden Zeit des Wandels, des Zusammenbruchs und des Neubeginns. Geben wir unseren Teil dazu und bestimmen wir, welcher es ist.
Nehmen wir endlich JEDER für sich seinen Platz und seinen Raum ein, dann gibt es für falsche Spiele und Kriege keine Chance mehr.
*Ich habe die Namen meiner Patienten im Artikel geändert.