Wenn Kinder gehen

Plötzlich sind sie Erwachsen und ziehen aus. Zurück bleibt eine tiefe Leere. Eine Anleitung zum Loslassen.

Und plötzlich sind sie erwachsen!

Erst ist Ihr Kind noch ganz klein, es will behütet und gepflegt werden. Sie sind als Eltern der Mittelpunkt im abenteuerlichen Prozess seines Heranwachesens. Kaum vorstellbar, dass Ihr Kind einmal seine eigenen Wege gehen wird – ohne Sie. Doch schneller als gedacht ist er da, der Tag an dem Ihr Kind das elterliche Heim verlässt und sich aufmacht in ein eigenes Leben.

Dabei scheint es noch gar nicht so lange her, dass Sie selbst das eigene Elternhaus verlassen haben. Sie erinnern sich als sei es erst gestern gewesen: Mit den neuen Lebensumständen änderte sich auch die Perspektive. Vieles wurde anders. Sie trafen eigene Entscheidungen und waren nur mehr für sich selbst verantwortlich. Sie hatten Pläne und Träume und nichts auf der Welt vermochte Sie aufzuhalten. Und dann kamen Ihre eigenen Kinder zur Welt und wieder änderte sich alles. Immer noch trafen Sie die Entscheidungen, aber jetzt immer mehr für die Familie als für sich selbst. Die Jahre vergehen, viele gemeinsame Ereignisse schweißten zusammen und langsam, ganz langsam wurde aus dem Eltern-Kind-Verhältnis ein Team mit Familienleben. Unvorstellbar, dass das einmal vorbei sein sollte.

Doch dann ist er plötzlich da, der Tag an dem Sie den bis vor kurzem nicht für möglich gehaltenen Satz hören: „Ich ziehe aus. Hilfst Du mir beim Umzug?“ Huch, wo ist sie hin, die Zeit in der man sich mehr mit der Elternrolle identifizierte als mit sich selbst. Plötzlich erscheinen einem die vielen gemeinsamen Jahre nur noch wie ein kurzer Wimpernschlag. Noch einmal tönt es: „Hilfst Du mir beim Umzug? Nächsten Monat kann ich einziehen.“ Was? So bald schon? Es fährt Ihnen innerlich durch Mark und Bein. Nächsten Monat würde Ihr Kind seine eigenen Wege gehen und ein weiteres Mal würde sich alles in Ihrem Leben grundlegend ändern.

Insgeheim hoffen Sie vielleicht, die Wege mögen sich nicht so bald trennen und im selben Moment wird Ihnen klar, dass es Ihnen nicht zusteht an dieser Hoffnung festzuhalten und an Ihrem Kind zu klammern. Sie gehorchen also dem Kopf, schlucken den Anfall von Traurigkeit hinunter und gratulieren strahlend zur neuen Wohnung. Wenige Wochen später finden Sie sich zwischen gepackten Kisten wieder. Sie begutachten das neue zu Hause Ihres Kindes und versuchen nüchtern und sachlich zu bleiben. Doch einfach ist das nicht, ein trauriges Gefühl bedrückt Ihr Herz. Sorgfältig vermeiden Sie den Blick in die Augen des dahinziehenden Kindes. Aber dann platzt es aus Ihnen heraus und Tränen schießen in die Augen. Sie fallen sich in die Arme und erzählen sich, dass alles ganz wunderbar ist und Sie sich sowieso so oft wie möglich besuchen werden.

Doch Besuchen ist nicht dasselbe, denken Sie im Stillen und in diesem Moment wissen Sie: Nie wieder wird es sein, wie es einmal war. Kein kuscheliges Familienleben mehr. Die täglichen Normalitäten des Zusammenlebens, die vielen kleinen Gespräche, die gemeinsamen Pläne und die gemütlichen Abende die Sie schon jetzt so schrecklich vermissen, wird es nun nicht mehr geben. Es zerreißt Ihnen fast das Herz aber Sie lächeln zuversichtlich und sagen nichts. Gedanken von früher, heute und morgen gehen Ihnen durch den Kopf: Jetzt bloß dem Kind kein schlechtes Gewissen machen.

Sicher ist es beruhigend, dass Sie Ihr Kind fit für das Leben gemacht haben, aber der Gedanke an ein kinderloses Heim verursacht eine tiefe Traurigkeit. Der Kopf dreht sich. Was ist denn nur los? Hatten Sie damals nicht selbst zu Ihren Eltern gesagt, sie sollen sich nicht so anstellen und kein Drama machen? Dachten Sie nicht immer, dass Sie selbst da ganz anders wären – viel moderner und „gechillter“ wie Ihre Kinder sagen würden? Wieder zu Hause angekommen ist es mit dem „gechillt“ sein erst einmal vorbei und bald fragen Sie sich: „Was hat mein Leben noch für einen Sinn?“

Zeit der Umstellung – Zeit für Neues

Häufig werden die Veränderungen, die damit verbunden sind, dass ein Kind das Elternhaus verlässt, völlig unterschätzt. Obwohl dieser Moment zwar abzusehen ist, trifft er viele Eltern ganz unvorbereitet. Aber woran liegt das? Eltern sind sich normalerweise von vorneherein darüber im Klaren, dass die Aufgabe, ihre Kinder in die Selbständigkeit zu begleiten, zeitlich begrenzt ist. Rational betrachtet, sehen sie es als Selbstverständlichkeit an, ihr Kind nicht festzuhalten. Schon deshalb erwarten sie keine emotionalen Probleme. Erst wenn es soweit ist, werden viele Betroffene davon überrascht, wie tiefgreifend sich die veränderte Situation auf ihr tägliches Erleben und ihre Gefühlswelt auswirkt.

Die neue Rolle

Mit dem Auszug des Kindes ändert sich auch die Elternrolle. Sie wird von der aktiven zu einer vorwiegend passiven und es kann einige Zeit dauern, bis sich Eltern daran gewöhnen. Sie müssen sich neu definieren, auch im Hinblick auf die Partnerschaft. Auch für Alleinerziehende ohne PartnerIn ist die Umstellung eine Herausforderung, denn sie müssen sich vom langjährigen Familienhaushalt auf einen Einzelhaushalt einstellen.

Hinzu kommt, dass die neue passive Rolle weit weniger Kapazität benötigt als die aktive Elternschaft. Denn das Potenzial an Zeit, Aufmerksamkeit, Zuwendung und anderen Dingen die lange den Kindern galten, wird nun plötzlich nicht mehr im gewohnten Umfang benötigt. Nicht selten stellt sich deshalb bei den Eltern neben der Trauer über den Abschied von gewohnten Lebensumständen auch ein Gefühl der Leere und Nutzlosigkeit ein. Um sie zu kompensieren, besteht die Gefahr, dass Eltern „klammern“. Das kann jedoch auch das Gefühl der Freiheit und Unabhängigkeit des Kindes erheblich beeinträchtigen. Diese Konstellation führt deshalb häufig zu problematischen Situationen in der Gestaltung familiärer Beziehungen.

Was hilft wirklich?

1. Bereiten Sie sich vor

Um nicht in ein zu tiefes Loch zu fallen, ist es ratsam sich bewusst mit der Situation auseinanderzusetzen. Schon im Vorfeld können Sie Gespräche mit bereits betroffenen Eltern führen. So können Sie sich damit vertraut machen, was demnächst auf Sie zu kommt oder wie Sie mit der neuen Lebenssituation umgehen sollen. Oftmals erlangen Sie dadurch ganz neue Erkenntnisse oder erfahren Motivation und Zuspruch.

2. Verdrängte Gefühle freilassen

Weil Eltern es als ihre Aufgabe sehen ihren Kindern Sicherheit und Zuversicht zu vermitteln, wollen sie meist alles tun, um zu vermeiden, dass sich ein Kind wegen der Gefühlslage der Eltern Sorgen macht. Der Versuch, Gefühle zu verbergen, ist aber keine Lösung. Denn verdrängte Gefühle werden naturgemäß kompensiert. Damit verlagert sich der ursprüngliche Zustand, was dann meist als Verschlimmerung wahrgenommen wird. Die eigentliche Lösung ist viel naheliegender. Sie liegt in der gelebten Erkenntnis, dass jeder für sein Leben selbst verantwortlich ist, zusammen mit der inneren Bereitschaft, diese Verantwortung auch zu tragen. Diese Haltung ermöglicht es, offen mit Ihren Gefühlen umzugehen, ohne aber eine schlechtes Gewissen zu vermitteln. Das erfordert einiges an Mut, wird aber leichter je öftr Sie Ihren Gefühlen Raum geben. Tauschen Sie sich in der Anfangszeit mit Freunden oder Bekannten aus, das hilft Ihnen bei der Verarbeitung und Bewältigung Ihrer Situation.

3. Potenziale sinnvoll nutzen

Ein langfristiger Lösungsansatz für „verlassene“ Eltern ist es, sich nach neuen Aufgaben und Gelegenheiten umzusehen, die neu gewonnene freie Zeit sinnvoll zu nutzen; sei es, um alte Freundschaften aufleben zu lassen oder neue Kontakte zu knüpfen, sich selbst weiterzubilden, sich sportlich zu betätigen oder endlich vieles von dem nachzuholen, was man die letzten Jahre hindurch immer wieder warten ließ. Erfüllung in neuen Bereichen zu finden macht es oft um ein Vielfaches leichter erwachsen gewordene Kinder innerlich loszulassen. Wenn viele Jahre der Fokus auf den Belangen der Kinder lag, ist es natürlich wenig verwunderlich, wenn dadurch der eigene Fokus etwas in Vergessenheit geraten ist. Sie werden dann nicht umhin kommen, sich wieder daran zu erinnern wie es ist, auf sich selbst zu hören und das nun frei gewordene Potenzial ungehindert zu leben.

Schon der Blick in die Natur zeigt, dass dort vorhandene Potenziale stets auf konstruktive Weise genutzt werden. Das ist dem natürlichen Gleichgewicht in jeder Beziehung förderlich und damit auch Ihrer persönlichen Gesundheit dienlich. Wer sich an die Grundsätze der Natur hält, ist stets gut beraten und wird, unabhängig von äußeren Begebenheiten, fast immer dazu in der Lage sein, das innere Gleichgewicht zu bewahren oder schnell wieder herzustellen, wenn es vorübergehend doch einmal ins Wanken geraten sein sollte. In der Erkundung, wie man sein wertvolles Potenzial am besten stimmig umsetzt, liegt ein wahrer Schatz, der darauf wartet, entdeckt zu werden. Denn es geht um die Erkundung des Weges, der zum eigenen Wesen führt. Er birgt unzählige neue Möglichkeiten und Erkenntnisse. Denn was aus der einen Perspektive als Problem erscheint, wird in einer anderen der liebevolle Wegweiser zur Lösung.

Das klingt für Sie ungewöhnlich oder schier unmöglich? Keine Sorge, es gibt zahlreiche Methoden wie Sie Ihr Gleichgewicht wieder erlangen und sich auf ein neugewonnens Legeben freuen können. Neben den oben genannten Ansätzen könnte auch ein Coaching oder eine begleitende Therapie  zielführend sein. Sprechen Sie mich gerne darauf an oder vereinbaren Sie einen Termin.

 

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