Trennungen sind immer schmerzhaft. Sie verlangen in der Konsequenz nach innerer Neuorientierung und emotionaler Ablösung. Wenn sich jemand von seinen Eltern, einer intriganten Freundin oder einem langjährigen Lebenspartner trennt, sind klärende Prozesse oft schon im Vorfeld erfolgt. Dennoch kann der Grund, aus dem heraus die Trennung erfolgt ist, auch dann noch zu seelischen Phantomschmerzen oder körperlichen Symptomen führen.
Vertrauensbrüche, Feigheit vor der Auseinandersetzung mit den verletzten Gefühlen des Gegenübers, oder gar Missbrauch sind schwer zu verdauen. Doppelt schwer ist es, wenn jemand ohne Vorwarnung verlassen wird. Wenn der Ehepartner von einem Tag auf den anderen verkündet, er habe eine(n) andere(n), sitzt dieser Schock tief. Ein Beziehungspartner zieht aus. Für den Zurückbleibenden bleiben viele Fragen offen. Die Suche nach eigenem Fehlverhalten, oder nach Gründen für diese Art der Mitteilung, kann quälend sein. Menschen, die so vom Partner verlassen werden, können sich oft nicht vollständig von ihm lösen.
Zu überleben, reicht nicht aus
Auch wenn durch eine Trennung gefühlt die Welt zusammenbricht, kann der Verlassene den Trennungsschmerz überleben. Doch das allein genügt nicht, um wieder glücklich zu werden. Der Phase des Überlebens muss eine Phase der Neuorientierung folgen. Durch diese kann der Verlassene geheilt und bereichert ins Leben zurückkehren. Die Phasen der Verarbeitung benötigen ihre eigene Zeit. Den Ex-Partner einfach abzuhaken, ist ein ungeeigneter Weg, um mit einer Trennung fertigzuwerden. Das entstandene Gefühls-Chaos muss abgelebt und geheilt werden, wenn es einen inneren Neuanfang geben soll.
Der Phase der Trauer und Wut folgen oft Ratlosigkeit und Verzweiflung. Viele Menschen nehmen sich nicht genug Zeit für diesen Trauerprozess. Sie haben nie gelernt, mit sich selbst glücklich zu sein. Sie fühlen sich unvollständig ohne den anderen. Wir nennen unseren Partner nicht umsonst unsere „bessere Hälfte“. Aus dem Gefühl heraus, ohne die bessere Hälfte emotional amputiert zu sein, suchen viele Menschen Trost in einer neuen Beziehung. Andere Menschen verweigern sich neuen Beziehungen in der Hoffnung, der alte Partner kehre vielleicht zurück. Eine Trennung zu verarbeiten, ist oft ein langer Prozess.
Ich bin dann mal weg
Trennungen haben viele Facetten. Manche Menschen gehen Zigaretten holen, und tauchen nie wieder auf. Was das mit dem Beziehungspartner oder der Familie macht, kann kaum in Worte gefasst werden. Andere Menschen beenden die Beziehung auf eine für sie schmerzlose Weise per SMS. Wie der Verlassene sich fühlt, müssen sie nicht miterleben. Ebenso verletzend ist es, wenn die Familie Heiligabend dem traditionellen Spieleabend frönt, und alles wie immer zu sein scheint. Plötzlich verkündet der Ehepartner, er oder sie werde morgen ausziehen und habe eine(n) neue(n) Partner(in). Dass solche Trennungen wie ein Schock wirken, und Fassungslosigkeit nach sich ziehen, kann wohl jeder verstehen. Der Schock einer Trennung bleibt nur aus, wenn eine Beziehung sich in den Augen beider überlebt hat. Trauer kann über diese Feststellung dennoch entstehen. Die Frage ist, wie beide Partner damit umgehen. An diesem Punkt finden sich leider oft destruktive Verhaltensweisen.
In manchen Fällen haben beide Beziehungspartner lange Phasen des Streitens durchlebt. Sie entscheiden gemeinsam oder jeder für sich, dass es nicht mehr weitergeht. Auch dysfunktionale Beziehungen können Trennungsschmerz auslösen und Ängste wachrufen. Beides kann den Prozess der Abnabelung verhindern oder verzögern. Wenn Kinder im Spiel sind, wird die fällige Trennung oft hinausgeschoben. Besonders schwer fällt die Trennung von toxischen Eltern. In vielen Fällen wird das Verlassen einer zerrütteten Familie mehrfach verschoben. Es besteht häufig die Hoffnung, dass sich doch noch etwas ändert.
Der Mensch ist ein soziales Wesen. Er möchte, dass seine Beziehungen funktionieren. Er sträubt sich dagegen, einsam und allein zurückzubleiben. Daher steht oft das Bemühen zur Rettung der Beziehung im Vordergrund. Oftmals ist jedoch ein Beziehungspartner innerlich bereits gegangen. Die innere Kündigung kann nur zurückgenommen werden, wenn es noch liebende Gefühle, gemeinsame Interessen und ehrliche Gespräche über den Stand der Dinge, sowie die Ursachen dafür, geben kann.
Die Trennung ist vollzogenen – was nun?
Verlassen zu werden, oder selbst eine Trennung zu vollziehen, fühlt sich oft wie Versagen und Scheitern an. Menschen, denen das passiert, quälen sich zunächst mit offenen Fragen, Selbstvorwürfen, Verhandlungsversuchen und Schuldzuweisungen an den anderen. Die wenigsten Menschen haben Strategien dafür, verlassen zu werden, oder jemand anderen verlassen zu müssen, weil das Bleiben unmöglich geworden ist.
Die Mischung aus Schuldgefühlen, innerer Lähmung, Wut, Trauer oder Erleichterung über das Beziehungsende führt bei vielen Menschen zu einem Gefühls-Chaos. Manche lösen dieses Chaos auf, indem sie zum Stalker oder zum Racheengel werden. Dieser möchte dem anderen möglichst viel vom eigenen Schmerz übermitteln. Viele Liebesbeziehungen enden deswegen in Rosenkriegen und im Hass. Andere Beziehungen enden in Sprachlosigkeit, die Jahre andauern kann. Ein Kontaktabbruch verhindert nicht unbedingt ein Aufarbeiten dessen, was geschehen ist. Doch ein gemeinsames Aufarbeiten wird damit unmöglich.
Wie lange die Phase der Verzweiflung, Trauer, Enttäuschung und Wut, der inneren Taubheit und der emotionellen Blockade andauert, ist individuell verschieden. Menschen gehen mit Abschieden, Trauer, Verzweiflung und Enttäuschung unterschiedlich um. Nicht jeder stellt sich dem emotionalen Loch, das ein anderer oder eine andere in das Leben gerissen hat. Manche füllen die innere und äußere Leere sofort mit einer neuen Beziehung, ohne die alten Wunden heilen zu lassen. Möglicherweise schaffen es manche Menschen leichter, zerbrochene Beziehungen abzuhaken. Ob das jedoch eine gute Lösung darstellt, sei einmal infrage gestellt. Oftmals stecken dahinter die Unfähigkeit und der Unwille, sich den eigenen Gefühlen, und dem eigenen Beitrag zum Beziehungs-Aus zu stellen.
Häufig trauern Frauen tiefer und länger als Männer um eine verlorene Beziehung. Frauen besitzen oft mehr emotionale Reife. Sie öffnen sich leichter dem Prozess, der zur Heilung und Ablösung führt. Solche Aussagen sind jedoch nicht pauschal richtig, sondern kennzeichnen bestenfalls eine Tendenz. Verlassene Männer können ebenso leiden. Auch sie können nach einer Weile bereit sein, sich mit ihrem Gefühlschaos und ihren Anteilen an der Trennung auseinanderzusetzen. Oft wählen sie jedoch den leichteren Weg aus dem Kummer.
Die Phase der Heilung beginnt
Der Phase der Leugnung folgen nach einer Trennung meistens Gefühls-Chaos, Verzweiflung und Angst. In dieser Phase wird oft noch verhandelt. Ist das nicht erfolgreich, fallen viele Menschen in eine Depression. Sie empfinden Trauer und Wut. Manche münzen diese Gefühle in Rachegelüste und Rosenkriege um. Die destruktiven Gefühle richten sich gegen den Menschen, den man einst geliebt hat. Andere Menschen, die Trennungen erlebt haben, deckeln Wut und Trauer mit Depressionen. Sie sehen sich als Opfer, und profitieren häufig vom Mitgefühl anderer. Doch erst die Akzeptanz dessen, was passiert ist, ist die Phase, in der ein Neuanfang möglich wird.
Es gibt kein Patentrezept dafür, wann und wie die Phase der Verzweiflung und der Verarbeitung der Trennung beendet wird. Jeder muss seinen eigenen Weg damit finden. Was vielen Menschen hilft, die Heilung einzuleiten und sich neu zu ordnen, sind vertrauenswolle Gespräche mit einer verlässlichen Freundin oder einem guten Freund, mit Familienmitgliedern die Ähnliches erlebt haben oder auch mit einem Therapeuten oder einer Therapeutin. Einen Begleiter durch das Chaos der Gefühle und Ängste zu haben, ist eine wertvolle Hilfe. In einem geschützten Raum über seine Gefühle zu sprechen, und die Beziehung aufzuarbeiten, spült auch gute Erinnerungen an schöne Zeiten und gemeinsame Ziele an die Oberfläche.
Die Heilung kann nach einer Trennung erst beginnen, wenn eine gewisse Distanz zum Ex-Partner bzw. zur Ex-Partnerin und zum Fakt der Trennung hergestellt wurde. Die Distanzierung sollte in Akzeptanz münden. Die Trennung ist Realität. Sie wird nicht mehr geleugnet. Alle Hoffnungen, dass sich doch noch alles zum Guten wenden könnte, müssen damit abgehakt sein. Die erfolgte Trennung und die Zeit danach aus größerer Distanz zu betrachten, macht auch den Blick auf eigenes Fehlverhalten möglich.
Der Neuanfang wird gewagt
Das neue Verständnis der Beziehung und der Trennungs-Situation beinhaltet idealerweise auch, dass der oder die Ex nicht mehr als Übeltäter(in) gesehen und verteufelt wird. Verlassene können die Ex-Partner mit einem gewissen Verständnis für die Motive und Handlungsweisen bedenken. Das bedeutet keineswegs, dass man diese gutheißt. Es geht vielmehr darum, den Blick vom eigenen Leiden am Verlassen-Werden zu den möglichen Gründen für die Handlungsweisen des Partners oder der Partnerin zu lenken.
Wird das geleistet, kann der unverstellte Blick nach vorne gelingen. Wer seine Trennung wirklich verarbeitet, zieht daraus Lehren. Er gewinnt durch das Durchleben eines äußerst schmerzvollen Prozesses Erkenntnisse über sich selbst oder das Leben in Beziehungen. Daran kann man wachsen. In gewissem Sinne ist Schmerz der Preis für die Liebe. Wenn wir es wagen, jemanden mit vollem Herzen zu lieben, ist der Verlust des Partners oder der Partnerin irgendwann unvermeidlich. Oftmals tritt der Verlust jedoch nicht erst durch den Tod der Partner ein. Oftmals fühlt sich auch das Verlassen-Werden wie ein kleiner Tod an, der verkraftet werden muss.
Die Endgültigkeit und Unerklärlichkeit eines Beziehungsendes erschweren es vielen Menschen, weiterzuleben. Menschen leben oft in emotionalen, psychischen oder finanziellen Abhängigkeiten. Manche Menschen sind Seelenzwillinge. Sie haben bisher alles miteinander geteilt. So ein Verlust wiegt gefühlt besonders schwer. Wenn beide Beziehungspartner gemeinsam die Trennung beschließen, und in vielen Gesprächen aussprechen können, was ihnen auf dem Herzen liegt, lässt eine zu Ende gegangene Liebesbeziehung als Freundschaft enden.
Wer am abrupt oder schleichend eingetretenen Ende seiner Träume vom gemeinsamen Leben Hilfe sucht, kann den Prozess der Bewältigung und Neuorientierung mit einer verständnisvollen und inspirierenden Begleitung angehen. Um es mit Hermann Hesse zu sagen: Jedem (Neu-)Anfang wohnt ein Zauber inne, dem Sie sich öffnen können. Ich helfe Ihnen gerne dabei.